- Pasteur: Leben und Entdeckungen des Vaters der Mikrobiologie
- Pasteur: Leben und Entdeckungen des Vaters der MikrobiologieDer französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur (1822—1895) wurde 1867 Professor der Chemie an der Sorbonne und gründete 1888 in Paris das »Institut Pasteur«, dessen Direktor er war. Pasteur entdeckte an den Salzen der Weinsäure die optische Isomerie und schuf die Grundlagen für die Stereochemie und die Polarimetrie. Ab 1854 beschäftigte er sich mit der alkoholischen Gärung und entdeckte, dass sie immer von Mikroorganismen hervorgerufen wird. Bahnbrechend war die Erkenntnis, dass das Erhitzen von Milch (oder anderen Nahrungsmitteln) zum Absterben der darin enthaltenen Mikroorganismen führt. Darauf basiert das Verfahren der »Pasteurisierung«, mit dem leicht verderbliche Flüssigkeiten haltbar gemacht werden können. Auch bei Tierkrankheiten wie der Fleckenkrankheit der Seidenraupen, dem Rindermilzbrand, der Geflügelcholera und anderen eitrigen Erkrankungen erkannte Pasteur Mikroben als Ursache und entwickelte ab 1881 Impfstoffe gegen Geflügelcholera, Schweinerotlauf und Milzbrand. Aus dem Rückenmark tollwütiger Tiere gewann Pasteur einen Impfstoff gegen Tollwut, den er erstmals 1885 erfolgreich erprobte.Die frühen JahreLouis Pasteur kam am 27. Dezember 1822 in Dôle im Französischen Jura als Sohn des Gerbermeisters Jean-Joseph Pasteur und seiner Ehefrau Jeanne-Etiennette, geborene Roqui, auf die Welt. Beide Eltern stammten aus alteingesessenen bürgerlichen Familien, schon der Vater und der Großvater von Jean-Joseph Pasteur waren Gerber gewesen. Nach dem Umzug der Familie 1827 nach Arbois besuchte Louis Pasteur Schulen in Arbois, Besançon und Paris. Als Schüler war Pasteur nur guter Durchschnitt; hervorstechend war jedoch sein Zeichentalent. Um sich besser auf die »Ecole normale« vorbereiten zu können, fuhr er im Alter von 16 Jahren nach Paris. Als er vom Heimweh geplagt wurde, holte ihn der Vater umgehend wieder zurück. Ein Jahr später besuchte Pasteur das Collège in Besançon. 1843 trat er in die »Ecole normale supérieure« in Paris ein. Diese elitäre Ausbildungsstätte für Lehrer an höheren Schulen und Universitäten hatte den Zweck, Talente aus dem Volk für den Dienst am Staat heranzubilden. Pasteur war schon sehr früh entschlossen, eine Laufbahn als Wissenschaftler einzuschlagen. 1847, also mit knapp 25 Jahren, promovierte Pasteur gleich mit zwei Dissertationen in Physik und Chemie. Sein Hochschulstudium absolvierte er als Stipendiat.Erste Erfolge: Linke und rechte SäurenSchon 1847 war er der Lösung eines wichtigen physikalisch-chemischen Problems auf der Spur. Er erforschte die Zusammenhänge zwischen Kristallform, chemischer Struktur und Polarisation des Lichts (unter dem Polarisationszustand einer Lichtwelle versteht man die räumliche Orientierung der Ebene, in welcher die elektromagnetischen Felder der Welle schwingen). Pasteur entdeckte, dass Weinsäure und Traubensäure zwar die gleiche chemische Struktur haben, sich aber gegenüber polarisiertem Licht, also Licht mit eindeutig festgelegter Schwingungsebene, unterschiedlich verhalten: Eine Weinsäurelösung dreht die Schwingungsebene der Lichtwellen nach rechts, eine Traubensäurelösung verändert sie dagegen nicht; man sagt auch, Weinsäure sei optisch aktiv, Traubensäure optisch inaktiv. Pasteur konnte nachweisen, dass zwei der drei vorkommenden Formen der Weinsäure optisch aktiv sind; dabei sind sie exakte räumliche Spiegelbilder voneinander, wie die zwei Handschuhe eines Paars. Die eine Form dreht die Schwingungsebene von polarisiertem Licht nach links, die andere nach rechts — dementsprechend nennt man sie L- und R-Weinsäure. In der Traubensäure liegen die beiden optisch aktiven Formen in gleicher Menge statistisch verteilt vor, sodass sich ihre gegensätzlichen Wirkungen auf das polarisierte Licht neutralisieren. Auskristallisierte L- und R-Weinsäure zeigen beim Blick durchs Mikroskop deutlich die Asymmetrie ihrer Struktur. Pasteur verglich sie mit zwei Handschuhen, die zum gleichen Paar gehören, sich aber dennoch nicht zur Deckung bringen lassen. Mit dieser Entdeckung war die Stereochemie, die Lehre von Zustandekommen und Auswirkungen unterschiedlicher räumlicher Molekülstrukturen, begründet.»Gärung ist Leben ohne Luft«Im Herbst 1848 erhielt Pasteur eine Stelle als Gymnasiallehrer in Dijon, wo er unter anderem eine Klasse von 80 Schülern in Physik unterrichtete. Es störte ihn allerdings, dass er hier nicht experimentieren konnte. Bereits nach drei Monaten wurde er als Professor der Chemie an die Straßburger Universität versetzt, die heute seinen Namen trägt. In Straßburg heiratete er Marie Laurent, die Tochter seines Rektors. Von den fünf Kindern des Ehepaars starben drei im Kindesalter. 1854 wurde Pasteur Professor der Chemie an der Universität Lille, wo er der neu gegründeten naturwissenschaftlichen Fakultät als Dekan vorstand. Nachdem sich Pasteur während seiner Forschungszeit besonders für die Fermentation, also für die Gärung und deren Unterschied zur Fäulnis interessiert hatte, machte er 1857 eine wichtige Entdeckung. In Lille klagte ein Industrieller, dass bei der Vergärung von Zuckerrüben statt des Alkohols, den er produzieren wollte, häufig Milchsäure entstand. Diese Beobachtung führte Pasteur zu der Entdeckung des Milchsäurebazillus als Gärungserreger und zu der Feststellung, dass auch die Spaltung von Zucker in Alkohol und Kohlensäure (Alkoholgärung) von sehr winzigen Organismen hervorgerufen wird.In den folgenden Jahren bewies Pasteur, dass die alkoholische, die Milchsäuregärung und weitere Gärungsarten von jeweils verschiedenen Mikrobenarten bewirkt werden. Er konnte damit den deutschen Chemiker Justus von Liebig widerlegen, der behauptete, die Gärung sei ein rein chemischer Prozess. Da die betreffenden Mikroorganismen sich nur ohne Sauerstoff vermehren können, bei Luftzufuhr jedoch absterben oder sogar zersetzt werden, nannte Pasteur sie Anaerobier (von griechisch aer: Luft und bios: Leben) und formulierte: »Gärung ist Leben ohne Luft.«Erfindung der PasteurisierungVon 1857 bis 1867 war Louis Pasteur »Sous-Directeur« und Verwalter der »Ecole normale supérieure« in Paris, die er einst selbst besucht hatte. Dort war er für den naturwissenschaftlichen Unterricht zuständig und wurde für viele Schüler zum persönlichen Berater. Sein Labor musste er sich allerdings in einer kleinen Dachkammer einrichten. Paris bot Pasteur die Gelegenheit, zahlreiche berühmte Gelehrte persönlich kennen zu lernen. 1862 wurde er Mitglied der »Académie des Sciences« und 1867 Professor für organische Chemie an der Pariser Sorbonne. Nach jahrelangen Experimenten entdeckte Pasteur 1865, dass die winzigen Lebewesen, welche die Gärung und Fäulnis bewirken, nicht hitzebeständig sind. Somit kann man Flüssigkeiten durch Erhitzen keimfrei machen und so vor der Gärung oder Zersetzung bewahren, ohne dass wertvolle Inhaltsstoffe beschädigt oder verändert werden beziehungsweise verloren gehen. Zunächst zeigte er, dass minutenlanges Erwärmen von Wein in einer geschlossenen Flasche auf 69—75 Grad Celsius die spätere Zersetzung des Weines verhinderte. Damit war das Prinzip der »Pasteurisierung« entdeckt. 1868 bekam Louis Pasteur von der medizinischen Fakultät der Universität Bonn die Ehrendoktorwürde verliehen. Unter dem Eindruck der Beschießung von Paris durch deutsche Truppen im deutsch-französischen Krieg schickte er allerdings das Diplom im Jahre 1871 wieder zurück.Krankheiten werden durch Bakterien hervorgerufenPasteur hatte 1868 einen Schlaganfall erlitten und war seitdem einseitig gelähmt. Das zwang ihn zwar dazu, seine Lehrtätigkeit aufzugeben, bremste jedoch nicht seinen Forscherdrang. Er arbeitete weiter und kam zu der Erkenntnis, dass mit seinen Forschungen die Entstehung zahlreicher Krankheiten zu erklären und ihre Ausbreitung zu verhindern sein müssten. So führte er 1870 zwei Seidenraupenkrankheiten auf infektiöse Keime zurück, und es gelang ihm, die infizierten Tiere zu erkennen und zu isolieren. 1877 entdeckte er den Erreger des Rindermilzbrands und 1880 den Erreger der Hühnercholera.Die größte Leistung von Louis Pasteur war sicherlich die Umwandlung eines Krankheitserregers in einen Impfstoff. Den Anstoß hierzu gab ihm eine zufällige Beobachtung in seinem kleinen Labor. Pasteur experimentierte mit dem Erreger der Hühnercholera und züchtete ihn in Reinkultur. Zufällig blieb eine dieser Kulturen einige Wochen unbeachtet stehen. Als Pasteur sie einem Huhn gab, starb dieses nicht, wie es bei der Einimpfung einer frischen Kultur der Fall gewesen wäre. Als er dem Huhn später eine höhere Dosis frischer Bazillen zu schlucken gab, die jedes andere Huhn getötet hätte, zeigte sich dieses Tier immun gegen den Erreger. Diese Zufallsentdeckung in Pasteurs Labor leitete eine für die gesamte Medizin bahnbrechende Entwicklung ein: Wenn man eine Kultur von Krankheitserregern an der Luft stehen lässt, wird die Virulenz der Bakterien so stark abgeschwächt, dass sie keine tödlichen Erkrankungen mehr auslösen konnten. Der abgeschwächte Erreger aktiviert im Organismus immer noch spezifische Abwehrkräfte und macht diesen damit immun selbst gegen nicht abgeschwächte, virulente Keime derselben Art. Gemeinsam mit jüngeren Mitarbeitern bewies Pasteur, dass es möglich ist, auch andere Krankheitserreger durch Veränderungen der Wachstumsbedingungen abzuschwächen und damit in wirksame Impfstoffe umzuwandeln.Pasteur findet einen Impfstoff gegen TollwutWährend Pasteur im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand und 1882 in die »Académie Française« aufgenommen wurde, war er bereits einem neuen Problem auf der Spur: dem Schutz gegen die Tollwut. Die Tollwut war damals zwar nicht sehr verbreitet, doch nach einem Biss durch ein mit Tollwut erkranktes Tier bestand — und besteht noch heute — höchste Lebensgefahr. Zu Pasteurs Zeit konnte man lediglich die Wunde ausbrennen; dennoch bestand über Wochen und Monate hinaus völlige Ungewissheit darüber, ob der Patient die Infektion (oder die Behandlung) überleben würde oder nicht. Kam es zum Ausbruch der Krankheit, gab es keine Rettung mehr. Pasteur wollte sich die lange Inkubationszeit, also die Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit, zunutze machen und hatte die Vision, den Körper durch eine Schutzimpfung mit abgeschwächtem Virus noch rechtzeitig vor Ausbruch der Krankheit zu immunisieren. Einen Impfstoff gegen die Tollwut zu gewinnen, war sehr viel schwieriger als bei anderen Krankheiten, wie etwa dem Milzbrand, da man den Erreger mit dem Lichtmikroskop nicht sichtbar machen konnte — denn die Tollwut wird nicht von Bakterien, sondern von einem Virus ausgelöst, und Viren sind zehn- bis hundertmal kleiner als Bakterien. Pasteur und seinen Mitarbeitern gelang es dennoch, das Problem zu lösen. Sie bewiesen zunächst, dass das Virus nicht nur im Speichel eines infizierten Hundes vorhanden ist, sondern vor allem im Hirn kranker Hunde. Mit einer kleinen Menge solcher Hirnsubstanz konnte Pasteur andere Hunde, aber auch Kaninchen, infizieren. Durch fortlaufende Übertragung von Kaninchen zu Kaninchen erlangte das Virus höchste Gefährlichkeit, oder, wie der Mediziner sagt, maximale Virulenz. Sieben Tage nach der experimentellen Infektion mit kultivierte Viren enthaltender Substanz brach die Krankheit aus. Nun musste das Virus wieder abgeschwächt werden. Dazu trocknete Pasteur Rückenmarksubstanz von infizierten Kaninchen, und nach 14 Tagen hatte das Virus seine Virulenz verloren. Eine kleine Menge dieser 14 Tage alten Marksubstanz wurde einem Versuchstier eingespritzt. An den folgenden Tagen erhielt das Tier weitere Injektionen von Marksubstanz, die immer weniger lang getrocknet worden war. Den Abschluss bildete am 14. Tag die Einspritzung von Rückenmark eines erst am Vortag getöteten Tieres, also von hochvirulenten Viren. Innerhalb von 14 Tagen war der Organismus auf diese Weise gegen die Tollwut immun geworden, und das obwohl die Infektion schon vor Beginn der Impfung stattgefunden hatte.Pasteur wird zum Nationalhelden1885 erprobte Pasteur erstmals die Impfbehandlung am Menschen. Als Patient stand ihm der neunjährige Joseph Meister zur Verfügung, der von einem tollwütigen Hund gleich zwölfmal gebissen worden war. Obwohl die Methode wissenschaftlich im Tierversuch mehrmals erprobt worden war, traute sich Pasteur nicht so recht, sie auch am Menschen anzuwenden. Sein Freund, der Pathologe Edme Félix Alfred Vulpian und der Arzt Jacques Joseph Grancher, einer seiner jungen Mitarbeiter, mussten Pasteur erst davon überzeugen, dass nun die Zeit gekommen war, um die Impfbehandlung am Menschen vorzunehmen. Unter Pasteurs Überwachung führte Doktor Grancher die Behandlung durch — mit Erfolg. Der Junge wurde gerettet, da die Schutzimpfung nach der Infektion ihre volle Wirkung gezeigt hatte.Pasteur wurde durch diese dramatische Rettung zum Nationalhelden, einem der populärsten und angesehensten Franzosen, er erhielt auch große internationale Anerkennung für seine Arbeit als Forscher. Nach der Entwicklung des Tollwutimpfstoffs und der erfolgreichen Anwendung am Menschen wurde er als Wohltäter der ganzen Menschheit gefeiert. Der französische Staat dankte Pasteur nicht nur mit einer Leibrente, sondern errichtete 1888 mithilfe einer öffentlichen Spende in Paris das »Institut Pasteur«, das zum Zentrum der Tollwutimpfbehandlung und zur allgemeinen Forschungsstätte für Infektionskrankheiten wurde. Louis Pasteur war bis zu seinem Tod dessen erster Direktor. Tochterinstitute in Frankreich und in anderen Ländern wurden errichtet, wie 1891 das Institut für Infektionskrankheiten in Berlin, das heutige Robert-Koch-Institut. Weder seine zunehmenden körperlichen Beschwerden — 1887 erlitt er einen zweiten Schlaganfall, nach dem er nicht mehr richtig sprechen konnte — noch sein Ruhm änderten etwas an Pasteurs Lebenseinstellung: Seine Arbeit und seine Experimente blieben Hauptinhalt seines Lebens. Seine Frau unterstützte ihn nach Kräften und war, solange Pasteur überhaupt noch arbeiten konnte, in alle seine Experimente eingeweiht. Am 28. September 1895 starb Pasteur mit knapp 73 Jahren in Villeneuve-l'Etang bei Paris.Patrice Debré: Louis Pasteur. Aus dem Französischen. Baltimore, Md., 1998.Gerald L. Geison: The private science of Louis Pasteur. Princeton, N. J., 1995.
Universal-Lexikon. 2012.